Gypsys

 

v.l.n.r.: Cord Kunze (b, voc), Ray Bildesheim (key, voc, tr), Michael Kercher (dr, perc), Ena Roth (voc, key), Michael Baum (g, voc)
v.l.n.r.: Cord Kunze (b, voc), Ray Bildesheim (key, voc, tr), Michael Kercher (dr, perc), Ena Roth (voc, key), Michael Baum (g, voc)

Es begann einst im Winter 1984.
Die sich damals noch als Gypsys, Suns & Rainbows bezeichnende Band coverte unter dem Motto "Sensitive Power" eine ganze Reihe von Nummern des legendären Jimi Hendrix. Tom Knauer war der Gründer, Gitarrist, Sänger und Frontmann der Gypsys und verlieh der Gruppe durch seine eigenwillige Performance und seine kreativen Gitarren - Improvisationen das Image einer Kult-Band.
Damals und heute noch dabei sind Cord Kunze, der inzwischen auch Geschmack am Sologesang gefunden hat, und auf der Bühne wie ein Irrwisch zwischen Mikrofon, Bass-Anlage und Lichtanlage, die er nebenbei mit seinem Rechten Fuß (mit dem linken bedient er die Effekte seines Basses) betätigt, hin und her fegt und zwischendurch oder besser währenddessen auch noch Zeit und freie Hände findet um Bass-Saiten zu wechseln oder seine Anlage zu reparieren und Schlagzeuger Michael Kercher, bekannt einerseits als Frankfurter Allzweckwaffe zwischen Jazz, Funk, Punk, Reggae und Rock, andererseits durch viele Trommeln und noch mehr Becken und lange Schlagzeugsoli.
Nach drei erfolgreichen Jahren als Trio verließ Tom die Band um endlich mal richtig Geld zu verdienen, was mit Country-Musik eher möglich war und ist als mit eigenwilligem Rock. Darauf stellte die Band ihren Stil logischerweise um. Es kamen "Adax der Schreckliche" aus dem Odenwald, ein knallharter Gitarrist mit klassischer Technik und dem Outfit einer Odenwälder Eiche und Sänger Ivan Frost, ein Zimbe aus Rhodesien, dessen Blues in Südafrika wurzelt, wo er einst mit der Waffe in der Hand um sein Leben sang.
Doch auch diese beiden verließen die Gypsys. Ivan emigrierte nach Australien, wo das Leben noch ein Abenteuer ist und Adax emigrierte in die Klassik, wo Noten noch so gespielt werden, wie sie auf dem Blatt stehen.
Mit dem nächsten Wechsel gingen die Gypsys konsequent den eingeschlagenen Weg weiter. Mit Uwe Steinmetz kam ein Sänger der Extraklasse, dem von dem neuen Gitarristen Horst Deller die Kompositionen "mundgerecht" hingezaubert wurden. Doch Zauber hin, Zauber her: Auch diese beiden wurden von der "Gypsy-Seuche" dahingerafft. Ein kompliziertes Rückenleiden stand Uwes Bühnenkarriere im Weg, und auch Horst wurde von der "zu viele - Tonnen - Anlage stemmen - Krankheit" befallen. Doch nach dem Motto "ohne Leiden tut's nicht weh", oder "was lange währt klappt lang noch nicht" machten sich die Zigeuner - Reste auf die Suche nach adäquatem Personal und wurden wider Erwarten Anfang 1992 fündig.
Janine Bittner wurde die neue Stimme der Gypsys, welche die Fans mit Aussehen und Sangeslust gleichermaßen verzauberte, und Oliver Faust hieß die Hand, welche die Gitarre führte und obendrein die dritte Lead - Stimme mitlieferte. Die beiden Neuzugänge hatten außer ihren musikalischen Vorzügen auch noch die Jugend gemeinsam, was bedeutete sie waren gesund, belastbar und respektlos, so dass die Gypsys erneut in mehrere - Tonnen - Anlage investieren konnten, um sich unaufhaltsam dem körperlichen Supergau zu nähern. Der sich neu ergebende Generationskonflikt machte sich nur insofern bemerkbar, als dass man nicht nur bei den Proben, sondern auch bei den Konzerten aufeinander einschlug, sich gegenseitig die Instrumente entriss und es völlig unmöglich war sich auf einen Musiktitel zu einigen, geschweige denn ein musikalisches Konzept zu erarbeiten.
Wundersamer weise überlebten nur die Alt-Rocker Kunze/Kercher das gemeinsame Einprügeln und mussten ihren Sieg teuer bezahlen, da sie sich somit wiederum auf Nachfolgersuche für die dahingerafften Janine und Oliver begeben mussten. Doch nach einer unangemessenen Trauerzeit von circa fünf Minuten begannen sie mit der Suche und nach weiteren fünf Minuten wurden sie fündig. Da inzwischen die musikalische Anlage weiter überdimensioniert wurde und Frontmänner leider zum vorzeitigen kollabieren neigen, wurde auf einen solchen verzichtet und lieber etwas stabileres gesucht. Ein Baum schien das richtige zu sein. Da der Schein tatsächlich nicht trügte, spielt nun Michael Baum die Gitarre und singt. Um den Kampf um ein musikalisches Konzept oder doch wenigstens einen Titel den man zusammen anfängt und gemeinsam beendet etwas flexibler zu gestalten, brauchten die Gypsys noch einen Musiker, der etwas mehr als ein Instrument spielt Als Keyboarder, Saxophonist, Bassist, Gitarrist, Schlagzeuger, Querflötist, Stehgeiger, Digeridooist und Sänger erfüllte Jochen Kessler diese Bedingungen zumindest einigermaßen und wurde nach einer kurzen Bedenkzeit von einer Minute als vierter Zigeuner verpflichtet.
Erstaunlicherweise wurde man sich sofort über das neue musikalische Konzept einig. Man spielte einfach nur ehemalige Top-Five Nummern, außer, wenn sie Cord nicht gefallen, oder wenn sie von Frank Zappa sind, oder wenn sie allen vier Zigeunern gemeinsam gefallen - was eigentlich nie vorkam -, oder wenn sie so alt sind, dass man vergessen hat, ob sie unter den Top-Five waren, oder wenn sie so neu sind, dass man noch nicht weiß ob sie es unter die Top-Five schaffen, aber prinzipiell waren sich die neuen Gypsys sehr einig; was man bei den Konzerten, die allesamt in eine gnadenlose Party ausarten, deutlich spürte.

Leider wurden die Parties zu gnadenlos. Als im Partyrausch Jochen Kessler seine Instrumente verwechselte, mit Stöcken auf das Saxophon einschlug und später seine Gitarre nicht mehr aus dem Mund bekam, verließ auch er die Band. Somit suchten die Gypsys etwas ungefährlicheres als einen Multi-Instrumentalisten.

Man einigte sich, es, statt mit verschiedenen Instrumenten, mit verschiedenen Sprachen zu versuchen.

Als neuer Keyboarder kam Stephan Weiler, der als musikalischer Leiter der Rockoper Tommy schon die halbe Welt besucht hatte. Dadurch hatte er schon etwas von verschiedenen Sprachen gehört und wurde den Anforderungskriterien voll gerecht. Seitdem musizierten die Gypsys in spanisch, italienisch, englisch, deutsch, türkisch, griechisch, französisch und arabisch, was die Verständigungsprobleme weiter förderte. Somit nannte man die dritte CD konsequenterweise „Freundschaft“.  Da aber auch dieses niemandem recht war wurde die CD Nummer 4 unter dem Titel „Whatever you want“ herausgebracht. Hiermit gaben die Gypsys endgültig  ihre eigene Identität auf.

Da jetzt sowieso alles egal war konnte es man ja auch mal wieder mit einer Frontfrau versuchen. Eine göttliche Stimme inspiriert von himmlischen Chören sollte genau das richtige sein, um die Gypsys zu einen. Ena Roth, die Göttliche mit den langen roten Haaren inspirierte die Zigeuner zur CD Nummer Fünf. Da göttliche Stimmen keine Fehler kennen, wurde diese live produziert. Mit dieser CD gelang es zum ersten Mal, das charismatische Erscheinungsbild der Band auf Tonmaterial zu bannen.

 

Da die Gypsys als bekanntermaßen anarchischer Haufen allerdings das erste Gebot missachteten und nun jeder die göttliche Kraft erlangen wollte, mit welcher Ena das Publikum zu Begeisterungsstürmen brachte, kam es Eklat: Um sein Instrument auf dem Monitor besser zu hören, baute jedes Mitglied eine meterhohe Mauer um sich. Nun hatten die Musiker die Mauern so hoch gebaut, dass sei nicht mehr aus ihren Festungen herausklettern konnten und zu verhungern drohten. Stephan aß vor Hunger sein Keyboard auf und schaffte es so –frisch gestärkt- als einziger, aus seiner Festung zu entkommen und zu fliehen. Die Rettung für die anderen in Gestalt eines Rays nahte: Ray Bildesheim, welcher mit fulminanten Trompetensoli die Mauern von Jericho zum Einstürzen bringen konnte, half den Musikern in die Freiheit und konnte nebenbei die Apokalypse abwenden. Da auch er mal ein Tasteninstrument gesehen hatte und den anderen in Sachen göttlichem Gesang in nichts nachstand, komplettierte er die Instrumentierung der Gypsys aufs Neue und schrieb so die Geschichte der Gypsys nun endgültig um.

 

CD Veröffentlichungen:

1994 „Dancing fools“

1996 „Stay a live“

1999 „Freundschaft“

2002 „Whatever you want“

2004 „5 Live“

2008 „MULTIKULT“