Rebell(i)sche Studiobühne

 

Artikel Offenbach Post, 6. Februar 2017:

 

Es muss nicht immer Musik sein

 

hr-Kultmoderator Volker Rebell eröffnet demnächst im Offenbacher Fabrikgebäude seiner Eltern eine "Rebell(i)sche Studiobühne"

 

Von Detlef Kinsler

 

OFFENBACH -  Als sich der Hessische Rundfunk noch den Luxus leistete, Sendungen mit Profil auszustrahlen, war "Volkers Kramladen" Kult. Von 1977 bis 2004 begeisterte der gebürtige Offenbacher Generationen von Radiohörern. Am 25. April wird der ewige Rebell 70, überrascht aber mit immer neuen Plänen.

 

 

In der elterlichen Fabrik mitten in Offenbachhat er die "Rebell(i)sche Studiobühne" ins Leben gerufen. Sie atmet heute noch den Charme einer Fabrikhalle. "Wo wir jetzt sitzen, war die Rohteilfertigung. Hier standen Fräsmaschinen, kleine Schleifmaschinen und eine Drehbank von 1920, ein uraltes Ding", schweifen Volker Rebells Gedanken weit zurück in die Vergangenheit.

 

Danach steht er auf, führt seinen Besucher in die hinterste Ecke des Raums. "Wenn man genau hinguckt, sieht man noch überspachtelte Dellen", deutet er nach oben. Genau darüber war sein Jugendzimmer. "Die Mitarbeiter meines Vaters haben mit Eisenstangen gegen die Decke gerumst, wenn der Typ - der ihr Juniorchef war - noch pennte, vielleicht noch ein Mädel bei sich hatte, während sie schon arbeiten mussten.

 

1924 hatte Vater Johann Rebell mit der Fertigung von Präzisionsgeschwindeschneidwerkzeugen begonnen, baute 1933 das Haus und die Werkstatt an der Bieberer Straße 145. "Mein Vater war ein Schaffer und Macher und begeistert von seinen Gewindebohrern", erzählt der Sohn vom Jahrgang 1947. "Hätte er Gitarren gebaut oder wenigstens Triangeln oder Maultrommeln, wäre ich happy gewesen." Als Ministrant hatte er mit acht Jahren seinen ersten musikalischen Auftritt. "Im Kirchenchor in St. Marien gleich um die Ecke", verrät er. "Da durfte ich in der Christmette den Engel singen. Ein lieber Bub, der niedlich aussah, mit süßer, klarer Bubenstime". Promt stimmt er "Fürchtet euch nicht" mit Kopfstimme an.

 

Ob Rebell wollte oder nicht: Er musste die Schule abbrechen, eine Werkzeugmacherlehre absolvieren und ein Ingenieurstudium anschließen. Schließlich sollte er die Firma seines Vaters übernehmen. "Eine katholische Erziehung bedeutete: An dem Punkt, an den du gestelt wirst, hast du dich zu bewähren." Widerspruch wurde nicht geduldet. Die Mama bekam ein schlechtes Gewissen und der Sohn 1964 eine teure Fender-Jaguar-Gitarre und einen Bandmaster-Verstärker geschenkt. "The Cheats" hieß seine Band. Wir haben 1965 - ein bisschen stolz darf man ja sein - den deutschen Beat-Band-Wettbewerb in Kassel gewonnen. Mit selbstverfassten deutschen Texten", verblüfft Rebell. Dabei gelten "Ihre Kinder", erst 1969 gegründet, als Pioniere des deutschsprachigen Rock. Udo Lindenberg sang noch Englisch. Die deutsche Musikgeschichte muss allso umgeschrieben werden. "Die Band und das Jugendkabarett 'Die Niete' haben mich damals davor bewahrt, irgendwie schräg zu werden oder zu Drogen zu greifen", lebte Rebell zwei verschiedene Leben.

 

Bei gemeinsamen Auftritten lernte Rebell die Liedermacher Christopher & Michael kennen. Mit Michael de la Fontaine realisierte er die LP "Harlekins Singsang" für CBS-Schallplatten. Christopher Sommerkorn wurde Redakteur beim Hessischen Rundfunk. "Er hat Leute aus der Szene gesucht und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, mal eine Radiosendung zu machen." Rebell sagte spontan zu.

 

 

Gleich auf die erste Sendung im Oktober 1970 gab es viele positive Hörerzuschriften. "Plötzlich hate ich eine wöchentliche Sendung." Auf "Tenns Twens Top Time" und "rumms" folgte der "Kramladen", 2004 umbenannt in "hr3-Rebell". "Interessanterweise hat mein Vater mit seinen Spezialwerkzeugen nie den Massenmarkt bedient. Und der Bub wollte beim hr auch nicht den Mainstream bedienen", stellt Rebell eine Analogie her. "Ich habe immer Spezialsendungen gemacht." Er konnte sich Extravaganzen leisten, durch seine Firma war er finanziell unabhängig.

 

Die kreativ genutzte Narrenfreiheit fand ein Ende, als das Autorenradio abgeschafft wurde. "Es gab eine Tagesredaktion, eine Musikredaktion, eine Themenredaktion und der Moderator hatte auszuführen, was ihm vorgelegt wird", erzählt Rebell. Durchhörbarkeit war zum Prinzip erklärt worden. "Im Dezember 2008 habe ich die letzte Sendung gemacht." Um Entzugserscheinungen zu entgehen, nahm er ein Angebot des Internetradiod ByteFM an. Da feierte der "Kramladen"

Wiederauferstehung. Über Langeweile konnte sich Volker Rebell nie beschweren. Er ging mit unterschiedliche Projekten wie "Heine goes Pop" und "Die Beatles und Beate" auf Tournee, realisierte Hörbücher über seine ewigen Lieblinge John Lennon und Paul McCartney, überzeugte als Sprecher bei der Love&Peace-Revue "Woodstock". Und statt nach dem Verkauf der elterlichen Firma im April 2015 auch die Räume aufzugeben, entschied er sich für die Gründung seiner "Rebell(i)schen Studiobühne". in Konkurrenz mit bestehenden Konzert- und Kleinkunstbühnen will er nicht treten, kein klassischer Veranstalter werden. "Ich möchte auch gerne verrücktes Zeugs machen, es muss nicht immer Musik sein." Rebell denkt da beispielsweise an die Produktion von Radiosendungen vor Publikum.

 

Obwohl es chon erste Termine im renovierten Obergeschoss ga, dauert es noch bis zur offiziellen Eröffnung. Erst soll das Parterre mit dem Eingang hergerichte werden. Damit das Ganze einen privaten Charkter behält, bittet Volker Rebell seine Gäste um Anmeldung. "Ich erde über die Webseite kommunizieren, was in den nächsten Wochen passieren wird. Und wer Interesse hat, der möge bitte reservieren. Wir haben ja nur 65 Plätze."

 

 

Artikel Offenbach Post, 27. April 2023:

gelingt die beste Open-Doors-Fotostory? Mit gezücktem Smartphone werben Michael Kercher (von rechts), seine Frau Brigitte und Dirk Peter, Geschäftsführer der Agentur „Butter und Brot“, für die „Selfie-Wall-Challenge“, eine von diversen Neuerungen, die sie sich für die 31. Auflage des Isenburger Musikspektakels ausgedacht haben. Foto: postl

Weltweite Übertragung aus Studiobühne

 

INTERNATIONAL JAZZ DAY - Christoph Spendel tritt Sonntag mit seiner Gruppe auf

 

 

Die Christoph Spendel Group gastiert bei Volker Rebell. Foto: Jörg-Peter Hohmann
Die Christoph Spendel Group gastiert bei Volker Rebell. Foto: Jörg-Peter Hohmann

 

Offenbach – Es ist kaum bekannt: Am Sonntag, 30. April, ist International Jazz Day – initiiert von Jazz-Legende Herbie Hancock und seit 2011 von der Unesco kuratiert. In die Liste der weltweiten Ereignisse wurde für Deutschland unter anderem das Konzert der Christoph Spendel Group in der Rebell(i)schen Studiobühne (Bieberer Straße 145a) aufgenommen. Eintritt: 22 Euro.

 

Das Konzert wird aus der Studiobühne ab 19 Uhr live übertragen und via Internet weltweit gestreamt (www. spendel.com/livestream). Zu einem späteren Zeitpunkt ist der Mitschnitt über YouTube abrufbar.

 

Inhaltlich ist der Stil der Christoph Spendel Group ohnehin international ausgerichtet. Kreativität und Coolness der Jazzszene New Yorks konnte Spendel während seiner fünfjährigen Aktivitäten dort studieren – unter anderem durch seine Mitarbeit in den Jazzformationen Special EFX und The Fantasy Band. Musikreisen durch Südamerika und Kuba beeinflussten seine Neigung zur Polyrhythmik. Spendels Interesse an indischer und afrikanischer Musik erweiterte den Horizont seiner Ausdrucksformen in Richtung World Music.

 

In Offenbach steht das Programm der aktuellen Albumproduktion „Avenue E“ im Mittelpunkt – und die außergewöhnliche Improvisationskunst der Christoph Spendel Group mit Jan Beiling (Saxofon, EWI), Martin Standke (Schlagzeug), Claudio Zanghieri (Bass) sowie dem Bandleader selbst (Piano, Keyboard und Komposition).  mk