Berry Blue

Berry Bäuerle-Keßler (voc, Julian Keßler (g), Christoph Aupperle (p, vib),

Hans Rück (sax), Jens Dörr (b), Thore Benz (b), Geovany da Silveira (b, perc),

Martin Müller (dr), Andreas Neubauer (dr)

Offenbach Post, 15. Dezember 2010
Offenbach Post, 15. Dezember 2010
Offenbach Post, 14. Januar 2011
Offenbach Post, 14. Januar 2011
Offenbach Post, 20. Juli 2018
Offenbach Post, 20. Juli 2018

 

Artikel Offenbach Post, 13. Januar 2020:

 

 

"Musik ist das Elixier"

 

Berry Blue über Jazz, Rock, die Kunst des Arrangements und das Ledermuseum

 

 

Das Berry Blue Quartett hat seinen traditionellen Neujahrsjazz dieses Jahr vom Ledermuseum ins Restaurant Trattodino verlegt. © Meidel
Das Berry Blue Quartett hat seinen traditionellen Neujahrsjazz dieses Jahr vom Ledermuseum ins Restaurant Trattodino verlegt. © Meidel

 

Seit Jahrzehnten ist Siegfried Bäuerle-Keßler auf den Musikbühnen in und um Offenbach unterwegs. Dem Publikum ist der ehemalige Apotheker mit dem weißen Haar und der sanften Stimme besser unter einem anderen Namen bekannt: Berry Blue.

 

Offenbach - "Als ich mit 17 aus dem schwäbischen Ellwangen ins Rhein-Main-Gebiet kam, war es die Zeit des Rock’n’Roll", erinnert er sich. "Alle hatten Spitznamen, und ich sah eben aus wie Chuck Berry." Seitdem trage er den Namen Berry. Sogar sein Sohn Julian Keßler, der in der Berry Blue Band Gitarre spielt, nenne ihn so.

 

Zum mittlerweile 16. Mal hat das musikalische Vater-Sohn-Gespann mit Christoph Aupperle am E-Piano und Jan Beiling am Saxophon zum "Neujahrsjazz" geladen – einem Matinée-Konzert mit Song-Klassikern von Benny Goodman bis zu den Comedian Harmonists. Wie auch in den Jahren zuvor sind gestern wieder zahlreiche Jazz-Fans erschienen, um der Band zu lauschen.

 

Stellte in der jüngeren Vergangenheit das Deutsche Ledermuseum einen Raum zur Verfügung, musizierte man diesmal im Restaurant Trattodino an der Taunusstraße. Dahinter stecke aber nicht etwa ein Zerwürfnis mit Museums-Chefin Inez Florschütz, erklärt Berry Blue. "Es gibt keine schmutzige Wäsche zu waschen." Es habe Probleme bezüglich des Veranstaltungsplans im Ledermuseum gegeben. "Frau Florschütz hat uns gefragt, ob wir nicht lieber abends auftreten wollen, aber da habe ich gesagt: Das ist nicht der Charakter dieser Jazz-Veranstaltung, die muss morgens oder mittags sein." Nach einiger Diskussion beschloss Berry Blue schließlich, in diesem Jahr im Trattodino aufzutreten. "Das hat auch Vorteile – zum Beispiel muss ich keine Saalmiete zahlen", schmunzelt er.

 

Auch, was die Größe des Publikums betrifft, muss er im Trattodino kaum Abstriche machen. "Zu Jazz-Konzerten kommen nicht so viele Leute wie zum Rock’n’Roll beim Oldie-Club", sagt der Sänger und betont. "Ich kenne und schätze deren Musik, ich habe das ja jahrelang selbst gemacht."

 

In den 70ern war Berry Blue Schlagzeuger der Offenbacher Rock-Formation "Schall & Rauch". Bis er sich dem Jazz zuwandte. "Mir war die Rockmusik irgendwann einfach zu laut."

 

Seitdem folgt er seine Leidenschaft für feine Blues- und Swing-Töne, gibt pro Jahr gut 50 Konzerte – und denkt auch mit über 70 nicht ans Aufhören. "Musik ist das Elixier", sagt er und lächelt. Was ihm am Jazz so gefällt? "Die Möglichkeit, an den Arrangements zu feilen", verrät er. Gerade in der Zusammenarbeit mit Berufsmusikern mache es besonders Spaß, die Stellschrauben der Instrumentierung so zu nutzen, dass ein altes Stück in neuem Glanz erstrahlt. Feinsinnig und komplex, und nicht so wuchtig wie in der Rockmusik.

 

Auch Ideen für neue Projekte hat "der singende Apotheker", wie ihn unsere Zeitung früher gerne betitelte. Er habe noch Dias aus allen Phasen seiner Musikerkarriere. Bilder voll Offenbacher Stadtgeschichte. Die möchte er gerne teilen – vielleicht in Form eines Büchleins.

 

 

Artikel Offenbach Post, 7. November 2023:

 

Filmreise mit samtener Stimme

 

Offenbacher Jazz-Urgestein Berry Blue hat mit „Movie Songs“ ein neues Album

 

 

 

Wenn Berry Blue mit seiner Band auftritt, ist viel Gefühl im Spiel. Seit einem halben Jahrhundert ist der Sänger aus dem lokalen Kulturleben nicht wegzudenken. Fotos: p; Schade
Wenn Berry Blue mit seiner Band auftritt, ist viel Gefühl im Spiel. Seit einem halben Jahrhundert ist der Sänger aus dem lokalen Kulturleben nicht wegzudenken. Fotos: p; Schade

 

Offenbach – Im eigenen Wohnzimmer in die "Modernen Zeiten" von Charlie Chaplin tauchen, zum "Frühstück bei Tiffany" bleiben, in "Ricks Bar in Casablanca" verweilen und sogar beim "Paten" zu Gast sein. Und wer dann noch mag, kommt mit ins "La La Land": "Movie Songs", das aktuelle Album des Offenbacher Musikers Berry Blue, entführt in die faszinierende Welt der Filmmusik.

 

Der ehemalige Apotheker greift mit der CD ein kleines Stück Kindheitsgeschichte auf. Da seine Mutter als Platzanweiserin im Kino "Regina" in Ellwangen arbeitete, konnte der junge Siegfried Bäuerle viele Filme mehrfach anschauen. "Besonders beeindruckten mich die Filmsongs, die mich seither begleiten", erinnert er sich. So gleicht die aktuelle Scheibe einer musikalischen Zeitreise, beginnend in den 1930ern mit den ersten Tonfilmen. Unter Corona-Bedingungen aufgenommen, spielte die Band die Musik im Studio gesondert ein, bevor der Gesang von Berrys samtener Stimme dazukam.

 

Vom Schlagzeuger über den Bluessänger zum Jazz-Interpreten: Seit fast einem halben Jahrhundert bereichert Siegfried "Berry" Bäuerle-Keßler das Offenbacher Kulturleben. "Alle hatten Spitznamen, ich sah eben aus wie Chuck Berry", erklärt der Mann mit dem schlohweißen Haar. Mit 17 Jahren zog er aus der schwäbischen Heimat ins Rhein-Main-Gebiet, um bei Hoechst eine Lehre als Chemielaborant zu absolvieren. Es war die große Zeit des Rock'n'Roll und der Beatles, und der leidenschaftliche Fan brachte sich selbst das Schlagzeugspiel bei, spielte in einer Rockband. "Doch das wurde mir irgendwann zu laut", blickt er zurück – er wechselte zum Blues.

 

Auch beruflich entschied Bäuerle sich für eine Veränderung, fing als Familienvater mit Mitte 30 ein Pharmaziestudium an. Seit 1976 in Offenbach zu Hause, erlebte er seine schönsten Jahre, wie er sagt, in der Lauterborn-Apotheke. Dort erfreute er in mancher Nachtschicht die Kunden mit seinem Gesang. "Ich wollte eigentlich nie Sänger werden, aber habe es irgendwann einfach gemacht", schmunzelt er. Eine Zeit lang nahm er Gesangunterricht. "In jedem Lied gibt es Stellen, die man mehr üben muss."

 

Nach der Headline Bluesband wirkte er in der Offenbacher Formation Schall und Rauch mit, einer der ersten Deutschrock-Bands. Deren Geschichte hat er vor zwei Jahren dank eines Stipendiums der Hessischen Kulturstiftung im Buch "Wilde Jahre – Musik und Rebellion" mit Text und Bild dokumentiert. "Ich habe noch jedes Lied im Kopf", sagt der 76-Jährige. "Doch irgendwann war für mich die Zeit der Protestmusik vorbei." Er verschrieb sich dem Jazz, dem er treu geblieben ist.

 

So wie sein Sohn Julian Keßler, der in Köln Jazz studiert hat und ein begnadeter Gitarrist ist. Auch fürs Filmmusik-Album hat er die Arrangements eingespielt. 1996 gründeten beide die Berry Blue Band, sind gemeinsam im gesamten Rhein-Main-Gebiet aufgetreten.

 

 

 

Aktuell spielt Berry Blue jeden Monat in den Offenbacher Parkside Studios mittags die "Parkside Jazz Matinee", immer ein anderes Programm, immer mit anderem Schwerpunkt. Auch im Frankfurter Jazzlokal Mampf ist er ein gern gesehener und gehörter Gast, ist sich aber auch für Auftritte in Seniorenheimen nicht zu schade. "Es gibt mir unglaublich viel, die Freude in den Gesichtern der Menschen zu sehen."

 

Dabei beschränkt sich Berry keineswegs auf Jazz: Er spielt Oldies, Pop, Blues, Latin und Evergreens, hat ein Gespür dafür, was beim Publikum ankommt. "Hauptsache, es ist Musik, und Hauptsache, es ist hier drin", sagt er und deutet auf sein Herz.

"Es ist das Allerwichtigste, dass die Lieder von Herzen kommen und wir nicht einfach eine Playlist runterrattern", so Berrys Credo. Jedes Lied habe sein Gefühl, seine Bedeutung.

 

Nächste Gelegenheit, Berry Blue zu erleben, ist am Sonntag, 12. November, in den Parkside Studios (Friedhofstraße 59). "Swingtime" heißt es – Tanzen ist erwünscht. Beginn ist um 12 Uhr, der Eintritt kostet 18 Euro, Karten gibt es an der Abendkasse oder online im Vorverkauf.